Nach Merz-Äußerung zur AfD :
Habeck: Mache mir große Sorgen um stabilisierende Rolle der Union

Von Peter Carstens, Berlin
Lesezeit: 5 Min.
Habeck am Freitag in Indien
Politiker anderer Parteien, aber auch aus der Union, zeigen sich entsetzt über die Äußerungen von CDU-Parteichef Merz zu einer Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Merz selbst schwächt seine Aussage ab.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erwartet von der Union nach der Aufregung über Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz Klarheit zum Umgang mit der AfD. „Deutschland braucht eine verlässliche konservative Partei“, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Verlässlich heißt standfest und lösungsorientiert in Regierung und Opposition. Nach den Äußerungen von Friedrich Merz vom Wochenende mache ich mir große Sorgen um die stabilisierende Rolle der Union in unserer gemeinsamen Republik.“

Eine „orientierungslose und irrlichternde Partei“ leiste immer nur den Populisten Vorschub, warnte Habeck. „Ich hoffe daher sehr, dass nach diesen Äußerungen in der Union eine Reflexion stattfindet.“

Derweil stellten Politiker der Union haben klar, dass es für die CDU weiterhin keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt. Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz hatten daran auch in den eigenen Reihen Zweifel geweckt. Der designierte Generalsekretär Carsten Linnemann schrieb dazu auf Twitter: „Für die CDU ist klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene. Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist.“

„Wege, wie man gemeinsam gestaltet“

Der hessische Landesvorsitzende Boris Rhein sagte wenige Stunden nach Merz' Auftritt im Morgenmagazin: „Für die CDU-Hessen steht die Brandmauer ganz klar.“ Die AfD sei „ein rechtsextremer Prüffall für den Verfassungsschutz, und die Jugendorganisation der Partei ist gesichert rechtsextrem. Das sind keine Partner für uns, mit denen arbeiten wir nicht zusammen“, sagte der hessische Ministerpräsident.

Wie weitere CDU-Politiker reagierte Rhein damit auf Äußerungen des Parteivorsitzenden Friedrich Merz, der im ZDF-Sommerinterview zur eventuellen Zusammenarbeit befragt worden war und gesagt hatte, Kommunalpolitik sei etwas anderes als Landes- und Bundespolitik. Wenn jetzt in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen. Und wörtlich: „Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“

CSU-Chef Söder geht auf Distanz zu Merz

CSU-Chef Markus Söder hat einer Kooperation mit der AfD auch auf kommunaler Ebene ebenfalls eine deutliche Absage erteilt und ist damit klar auf Distanz zu Merz gegangen. „Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene“, schrieb der bayerische Ministerpräsident am Montag auf Twitter. „Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar.“

Die AfD fordere den Austritt aus EU und NATO und schwäche damit den Wohlstand und gefährde unsere Sicherheit. „Wir grenzen uns klar ab und setzen dagegen auf gute Politik: Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst“, schrieb Söder und fügte hinzu: „Die CSU steht für ein starkes und sicheres Bayern, damit unser Land stabil bleibt.“

Alternative für Deutschland mit Substanz?

Die Äußerungen von Merz am Sonntag waren als Bruch der bisherigen Parteilinie verstanden oder missverstanden worden. Merz hatte die Debatte zum Verhältnis der Union zur AfD bereits vorige Woche belebt, als er gesagt hatte, die CDU werde mit ihren Vorschlägen „deutlich machen, dass wir wirklich eine Alternative für Deutschland mit Substanz sind“. Dieser Wortwahl waren bereits Präsidiumsmitglieder entgegengetreten.

Auf Twitter hatte Merz am Sonntag geschrieben: „Das Thema Zusammenarbeit mit der AfD betrifft die gesetzgebenden Körperschaften, also im Europaparlament, im Bundestag und in den Landtagen.“ Auch dies hatte Anlass zu der Spekulation gegeben, es könne, wie vereinzelt in der Realität der Fall ist, nach Merz‘ Auffassung Absprachen oder Kooperation mit der AfD geben.

Dem traten CDU-Politiker rasch entgegen, vorwiegend solche, die nicht als Anhänger von Merz bekannt sind. So schrieb Norbert Röttgen, die CDU habe „verbindlich ein einschränkungsloses Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen“, die AfD lasse „bewusst extremistische Kräfte in der Partei zu und wünsche diese“. „Mit einer solchen Partei kann es auf keiner Ebene eine Zusammenarbeit geben.“ Und an Merz gerichtet schrieb Röttgen noch am Sonntagabend: „Jeder der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden. Bis dahin haben sich alle an die Beschlusslage zu halten.“

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla äußerte zu den Äußerungen von Merz: „Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen.“

Hans ruft Merz zu: „Wehret den Anfängen!“

Yvonne Magwas, Mitglied des CDU-Parteipräsidiums und Vizepräsidentin des Bundestages, schrieb auf Twitter: „Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!“ Die Bundesvorsitzende der Frauen- Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte: „Die Partei und ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene.“ CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler meinte: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.“

Äußerungen kamen auch aus der Reihe der Ehemaligen, so meldete sich der frühere Ministerpräsident des Saarlandes Tobias Hans. Er schrieb auf Twitter: „Das ist nicht erträglich und kann nicht stehen bleiben. Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten. Wehret den Anfängen!“

Merz tritt der Kritik entgegen

Merz trat der aufbrandenden Kritik am Montagmorgen entgegen und äußerte: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“

Unterstützung erhielt Merz von der Schatzmeisterin der CDU, Julia Klöckner. Sie schrieb in einer ausführlichen Stellungnahme unter anderem: „Friedrich Merz und wir als CDU sind uns einig: Keine Kooperation oder Zusammenarbeit mit der AfD, und das hat er auch im Sommerinterview betont.“ Merz habe gesagt, es gehe darum Wege zu finden, wie man trotz eines AfD-Mandatsträgers, etwa eines Bürgermeisters oder Landrats weiterarbeiten könne. Klöckner: „Das müssen sich doch alle Parteien fragen. Man kann ja nicht das Feld dann dort komplett der AfD überlassen. Weiter arbeiten heißt nicht, mit der AfD zu kooperieren, sondern Wege finden, trotz AfD-Bürgermeister oder Landrat, sich für den Ort, die Stadt, den Landkreis weiter einzubringen. Auch wenn einem das Ergebnis einer Wahl nicht passt, kann man ja als Ratsmitglied nicht einfach komplett seine Arbeit einstellen.“

Der SPD hielt Klöckner vor, sie habe im thüringischen Hildburghausen zusammen mit der AfD den Bürgermeister von der Partei Die Linke abwählt. Das sei „eine Zusammenarbeit mit der AfD. So etwas lehnen wir als CDU ab. In Waren/Müritz stimmten SPD, Linke und Grüne einem AfD-Antrag über die Bewirtschaftung der kommunalen Wälder zu. Keine Frage, es gibt Themen vor Ort, da sind Abgrenzungen zur AfD schwierig. Aber es hindert ja keiner eine Partei der demokratischen Mitte daran, selbst einen konstruktiven Antrag ins Kommunalparlament zu diesen Themen einzubringen. Kurzum: Für uns als Union gibt es keine Zusammenarbeit mit der AfD, ganz gleich auf welcher Ebene.“

Linnemann greift die SPD an

Auch Linnemann griff die SPD an: „Dass ausgerechnet die SPD, die schon lange auf kommunaler Ebene mit der AfD stimmt, jetzt Empörung heuchelt, weil Friedrich Merz eine Selbstverständlichkeit betont hat, ist scheinheilig“, sagte er.

Die Diskussion trifft die CDU zur Unzeit. Seit einem misslungenen Parteitag, den der NRW-Vorsitzende Hendrik Wüst mit Äußerungen zum künftigen Kurs der Partei für Werbung in eigener Sache genutzt hatte, hat eine Diskussion zur Kanzlerkandidatur begonnen. Die Absetzung des bisherigen Generalsekretärs Mario Czaja in Anbetracht schlechter Umfragen und die Ausrufung der Grünen zur Hauptgegnern brachten zunächst ebenso wenig Zuspruch wie der Vorschlag des parlamentarischen Geschäftsführers Thorsten Frei zur Abschaffung des bisherigen Asylrechts oder Interview-Ratschläge des neuen Generalsekretärs Carsten Linnemann zu Schnellurteilen gegen Berliner Schwimmbadrandalierer.

Die bisherigen Beschlüsse der CDU zum Thema

Beschluss des Hamburger CDU-Bundesparteitags vom 7. bis 8. Dezember 2018:

„Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“

Entschließung von Präsidium und Bundesvorstand der CDU vom 24. Juni 2019 nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke:

„Wer die AfD unterstützt, muss wissen, dass er damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt. Und wir wissen, wie persönliche Diffamierungen letztlich zu Morddrohungen, Gewalttaten bis hin zum Mord führen können. Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. Er muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die ein ideologisches Umfeld unterstützt, aus dem der mutmaßliche Täter von Walter Lübcke gekommen ist.

Deshalb bekräftigen wir auch im Andenken an unseren ermordeten Parteifreund den Parteitagsbeschluss von Hamburg: Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab. Die CDU wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen Beschluss durchzusetzen.“

Beschluss des CDU-Präsidiums vom 7. Februar 2020 nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Stimmen von AfD und CDU:

„Für die CDU Deutschlands gilt: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD – weder in direkter, noch in indirekter Form.“