Elterngeld für Besserverdienende: Darüber wird gestritten

Stand: 10.07.2023, 09:08 Uhr

Elterngeld für Besserverdienende mit über 150.000 Euro Einkommen streichen: Um dieses Vorhaben von Familienministerin Paus gibt es große Diskussionen.

Beim Haushalt für das kommende Jahr steht die Bundesregierung vor einer besonderen Herausforderung: Es muss gespart werden. Um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu erreichen, muss der Haushalt nachhaltig geplant werden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat deshalb seine Kabinettskolleginnen und -kollegen aufgefordert, ihren Beitrag zum Sparen zu leisten.

Mehr als 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen: Kein Elterngeld mehr

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) plant daher, das Elterngeld für Besserverdienende zu streichen. Die Einkommensgrenze von 300.000 Euro für Jahreseinkommen soll auf 150.000 Euro gesenkt werden. Das heißt: Es würden nur noch Paare Elterngeld bekommen, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro Jahreseinkommen haben. Wichtig dabei: Es geht um das zu versteuernde Einkommen, nicht um das Bruttoeinkommen. Vom Bruttoeinkommen werden erst noch Freibeträge und Werbungskosten abgezogen, daraus ergibt sich dann das zu versteuernde Einkommen.

Laut Paus würde die Streichung künftig 60.000 Familien betreffen. Ihr Ministerium bezieht sich auf Zahlen aus 2020: Damals haben etwas über eine Million Mütter und Väter Elterngeld bekommen. Fünf Prozent von ihnen würden mit der geplanten Neuregelung keine Unterstützungszahlung mehr erhalten. Es geht also um einen geringen Anteil der jungen Eltern in Deutschland. Die Debatte um das Streich-Vorhaben wird dennoch heftig geführt.

Kein Elterngeld für Spitzenverdiener?

WDR 5 Morgenecho - Medienschau 05.07.2023 03:51 Min. Verfügbar bis 04.07.2024 WDR 5


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Kritiker sehen Gleichberechtigung von Mann und Frau in Gefahr

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hält es "für falsch, dass wir an dieser Stelle genau diese Mittel jetzt kürzen". Er argumentiert vor allem mit der Gleichstellung von Mann und Frau: Diese würde sich mit der Streichung des Elterngeldes verschlechtern. Mit Einführung des Elterngeldes war auch die Absicht verbunden, mehr Väter zu einer Elternzeit zu animieren.

Laut Statistischem Bundesamt haben 2022 knapp 1,4 Millionen Frauen und 482.000 Männer in Deutschland Elterngeld erhalten. 26,1 Prozent von ihnen waren Männer. Die Daten geben keinen Aufschluss darüber, wie viele Männer speziell in den höheren Einkommensgruppen Elternzeit nehmen.

Elterngeld bekommen Väter und Mütter als Ersatz für das Einkommen, um sich in der Zeit nach der Geburt um ihr Kind zu kümmern. Es wird maximal 14 Monate ausgezahlt - dafür müssen beide Eltern jeweils mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen. Beim Bezug von Elterngeld Plus, bei dem auch in Teilzeit gearbeitet wird, verlängert sich der Bezug von Elterngeld.

Petition gegen die Pläne der Familienministerin

Auch die Unternehmerin Verena Pausder kritisiert die geplante Elterngeld-Streichung: "Das ist für viele Paare in Deutschland ein Problem, weil sie damit nicht geplant haben, und weil typischerweise die Frau dann zuhause bleibt, weil die meistens weniger netto hat. Und das ist dann ein Rückschlag für die Gleichberechtigung", so Pausder im ntv-Interview. Die Unternehmerin hat eine Petition gegen das Vorhaben gestartet, die mittlerweile mehr als 296.000 Menschen unterzeichnet haben (Stand 9.46 Uhr).

Pausder sieht das Vorhaben auch deshalb kritisch, weil es diejenigen treffe, "die morgens aufstehen, hart arbeiten, sich da hochgekämpft haben, die nicht von ihrem Vermögen leben, sondern von ihrem Einkommen". Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sprach davon, dass die Elterngeld-Streichung viele Familien in großen Städten mit hohen Lebenshaltungskosten spüren würden. Die Journalistin und Autorin Teresa Bücker kritisiert, "dass wenn Reiche mal finanziell verzichten müssen, es Familien im ersten Babyjahr sind".

Befürworter halten Kürzung für "vertretbar"

Der haushaltspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, verteidigt das Vorhaben der Familienministerin Paus. Das Finanzministerium habe gewollt, dass beim Elterngeld eingespart wird, das Familienministerium habe entsprechend entschieden: "Das hat gleichstellungspolitisch negative Folgen, ist aber unter den Vorgaben des Finanzministeriums noch der vertretbarste Weg."

Streit ums Elterngeld I Rekord-Hitze durch El Niño I Zucker in Fertig-Produkten I 0630

0630 - der News-Podcast 05.07.2023 20:48 Min. Verfügbar bis 05.07.2028 WDR Online


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Gegenvorschläge von FDP und SPD

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke hält dem entgegen, es seien auch andere Kürzungen beim Elterngeld möglich - etwa, indem die Bezüge insgesamt für alle Eltern gekürzt oder der Höchstbetrag runtergesetzt worden wäre. Er schlug im Deutschlandfunk eine grundsätzliche Reform des Elterngeldes vor: "Muss es denn immer noch so sein, dass wir in diesem alten Männlich-Weiblich-Denken sind? Ich würde zum Beispiel sagen: Beide können maximal sieben Monate Elterngeld bekommen. Dann haben wir endlich eine Gleichstellung."

Frickes Parteikollege und FDP-Vizevorsitzender Johannes Vogel sagte am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Anne Will", er unterstütze den Vorschlag seiner Partei, von den Paaren eine stärkere zeitliche Angleichung ihrer Elternmonate zu verlangen. Wenn das nicht geschieht, soll nur ein Partner Elterngeld erhalten. Darüber hinaus habe Paus auch "im Bereich der zahlreichen Förderprogramme noch ein gewisses Einsparpotenzial", sagte Vogel.

Paus wies dies in der Sendung zurück. "Wenn das mit der Partnerschaftlichkeit funktioniert, dann ist das keine Kürzung", sagte sie. "Ich bin offen für bessere Vorschläge - aber ich habe mir das angeschaut und bin unter all diesen schlechten Varianten zu der aus meiner Sicht besten Variante gekommen."

Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sieht den Vorschlag von Lisa Paus kritisch. Als alternative Sparmöglichkeit nannte er die Abschaffung der Steuervorteile durch das Ehegattensplitting für alle neuen Ehen. "Verteilungsfragen klärt man über die Steuerpolitik, nicht über das Elterngeld", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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