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Companymind setzt auf Künstliche Intelligenz Wie ein Oldenburger Start-up die Fleischwirtschaft mit KI revolutioniert

Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Nachhaltigkeit in der Agrarbranche: Die Hochschulprofessoren Harald Schallner (links) und Hergen Pargmann haben das Oldenburger Start-up Companymind 2019 gegründet und setzen auf KI in Ställen und Schlachthöfen.

Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Nachhaltigkeit in der Agrarbranche: Die Hochschulprofessoren Harald Schallner (links) und Hergen Pargmann haben das Oldenburger Start-up Companymind 2019 gegründet und setzen auf KI in Ställen und Schlachthöfen.

CompanyMind

Oldenburg - Die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion wird sichtbar, wenn die roten Kisten bei Böseler Goldschmaus in Garrel noch mit Schlachtresten verschmutzt sind. Dann drehen sie automatisch eine weitere Runde durch die Waschstraße, weil eine Künstliche Intelligenz (KI) dies entschieden hat. Seit einigen Wochen müssen hier keine Menschen mehr am Band stehen, um die Abertausenden roten Kisten auf Sauberkeit zu kontrollieren. Sie arbeiten nun dort, wo das Unternehmen sie dringender braucht. Was an den beiden Waschstraßen des Schlachtbetriebs im Landkreis Cloppenburg geschieht, ist die oldenburgische Antwort auf den Strukturwandel in der Agrarwirtschaft.

Innovative Lösung: Bei Böseler Goldschmaus in Garrel kontrolliert eine KI die Ergebnisse der Waschstraße. (Bild: Böseler Goldschmaus)

Innovative Lösung: Bei Böseler Goldschmaus in Garrel kontrolliert eine KI die Ergebnisse der Waschstraße. (Bild: Böseler Goldschmaus)

Der Weg hin zu einem schonenderen und effizienteren Umgang mit Ressourcen, zu mehr Tierwohl und einer stabilen sowie nachvollziehbaren Produktion von Lebensmitteln sei in den immer größeren Betrieben und komplexen Ökosystemen nur mit Künstlicher Intelligenz zu bewältigen, sagt Hergen Pargmann. Dazu hat er vor fünf Jahren gemeinsam mit Harald Schallner das Start-up Companymind gegründet, dessen KI-Anwendungen schon heute in Schlachtbetrieben eingesetzt werden. Das Kleinunternehmen der beiden Hochschulprofessoren sitzt in Oldenburg und damit am Rande des Epizentrums.

Nordwesten als Epizentrum des Strukturwandels

Die Ernährungswirtschaft im Nordwesten befindet sich im Umbruch. Sie wird sich bereits in den nächsten Jahren tiefgreifend verändern und der Wandel beschleunigt sich noch. Zu diesem Ergebnis kommt die sogenannte Train-Studie, an der unter der Leitung von trafo:agrar unter anderem die Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK), die Landwirtschafts- und die Handwerkskammer beteiligt waren. Die entworfenen Szenarien zeigen: Schon bei einem geringen Rückgang der Viehhaltung bricht die Wertschöpfung um ein Viertel ein, ähnlich groß sind die Jobverluste. Der Strukturwandel trifft den stärksten Industriezweig des Oldenburger Landes. Jeder zweite Euro des Industrieumsatzes wird in der Branche erwirtschaftet, wie Daten der IHK zeigen. Dazu kommen die Landwirte und ihnen vorgelagerte Unternehmen, die Ställe errichten, Landmaschinen konstruieren oder Fütterungstechnik entwickeln.

KI-Start-up aus Oldenburg

Companymind wurde 2019 von den beiden Hochschulprofessoren Hergen Pargmann und Harald Schallner in Oldenburg gegründet. Heute arbeiten für das Kleinunternehmen 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Künstliche Intelligenz hat die beiden Professoren für betriebliche Anwendungssysteme schon beschäftigt, lange bevor sie in aller Munde war. Auf die Lebensmittelwirtschaft wurden sie durch ein vom Wirtschaftsministerium ausgeschriebenes Projekt aufmerksam, in dem es um den effizienten und schonenden Einsatz von Ressourcen ging.

Die Train-Studie beleuchtet Zukunftsszenarien für die Agrarbranche im Nordwesten. Die Projektleitung lag bei trafo:agrar, an dem unter anderem die Uni Vechta mitwirkt. An der Studie waren neben der Oldenburgischen IHK unter anderem auch die Landwirtschaftskammer, die Handwerkskammer sowie die Landkreise Cloppenburg, Vechta und Emsland beteiligt.

„Die positive Nachricht ist: Wir können den Wandel aktiv mitgestalten“, hatte IHK-Präsident Jan Müller zu den Ergebnissen der Train-Studie gesagt. „Wenn wir auf Transformation mit Innovation antworten, können wir die Agrar- und Ernährungswirtschaft als wichtigste Säule der regionalen Wirtschaft erhalten.“ Dazu kommt: Während die Menschen in Deutschland seit Jahren weniger Fleisch essen, wird der weltweite Hunger auf tierisches Protein nur größer. Das birgt aus Sicht des IHK-Präsidenten eine große Chance für den Nordwesten, sofern Wissen und Produktion nicht abwandern.

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KI als Antwort auf Fachkräftemangel

Companymind-Gründer Hergen Pargmann sieht in Künstlicher Intelligenz auch eine Antwort auf den zunehmenden Mangel an Arbeitskraft und verlorengehendes Fachwissen. So sammelt das Start-up über Sensoren und Kameras aktuell etwa Daten in einem Stall, der noch von Menschenhand gesteuert wird. Bald soll auch die KI lernen, dass den Tieren zu kalt ist, wenn sie dicht zusammenstehen. Dass sie sich regelmäßig bewegen müssen, um gesund zu bleiben. Und dass die Beschaffenheit ihres Kots Rückschlüsse über die richtige Zusammenstellung des Futtermittels zulässt. Künstliche Intelligenz könne aber auch Zusammenhänge erkennen, die für den Menschen nicht sichtbar sind, erklärt Hergen Pargmann.

Ihre Stärken spielt KI besonders dann aus, wenn viele Variablen im Spiel sind. Für alle Standardaufgaben, bei denen Wissen reproduziert oder eine Schlussfolgerung ermöglicht werden soll, könne eine KI bereits heute bessere Ergebnisse liefern als ein einzelner Mensch, sagt Pargmann. Wobei es nicht die eine Künstliche Intelligenz gibt, wie er betont. „Es gibt viele verschiedene Verfahren und Modelle. Dabei kommt es auf die Auswahl der richtigen Modelle an – und darauf, wie sie sich intelligent kombinieren lassen.“

Software entlastet Veterinäre – ein Branchenthema

Pargmann führt ein Arbeitsleben zwischen Hemd und Gummistiefeln. Er will nicht nur Ideengeber sein, sondern sucht die unternehmerische Herausforderung. Den Druck, ob die KI-Lösungen auch der Realität der industriellen Produktion standhalten. Das scheint nicht nur bei Goldschmaus, sondern auch bei einem weiteren großen Fleischverarbeiter aufzugehen, der namentlich nicht genannt werden will. Dort unterstützt seit einigen Monaten eine KI-Anwendung des Oldenburger Start-ups die Veterinäre bei der Vorbefundung der Schlachttiere. Das System entlastet die Tiermediziner und schafft einheitliche Standards bei der Befundung über mehrere Standorte und unterschiedliche Veterinärämter hinweg. Für den Endverbraucher bedeutet dies mehr Transparenz und die Gewissheit, dass ein Tier gleich untersucht worden ist, egal wo es geschlachtet wurde. Und auch andere Fleischverarbeiter und Veterinärämter beobachten die Entwicklung aufmerksam. Oder wie es die Companymind-Vertriebsleiterin Agnes Tholen ausdrückt: „Was wir hier angestoßen haben, ist ein Branchenthema.“

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