Zum Inhalt springen

Ungeklärte Mordfälle Pflanzen sollen versteckte Gräber verraten

Wenn ein Körper verwest, setzt er Stoffe frei, die das Wachstum von Pflanzen beeinflussen. Forscher wollen den Effekt nun nutzen, um Vermisste aufzuspüren.
Foto: Alekss / imago images

Etwa 9200 Menschen gelten in Deutschland derzeit als vermisst. Während sich die allermeisten Fälle innerhalb weniger Tage aufklären, bleiben einige Väter, Mütter, Kinder über Jahre verschwunden. Viele Angehörige quält die Ungewissheit, was mit den Vermissten passiert ist. Hatten sie einen Unfall? Wurden sie Opfer eines Verbrechens?

Ihr Schicksal lässt sich meist erst aufklären, wenn die Vermissten von selbst wieder auftauchen - oder ihre sterblichen Überreste gefunden werden. Ein Forschungsteam aus Biologen und Anthropologen will nun Pflanzen nutzen, um genau solche versteckten Gräber aufzuspüren.

"Auf kleinen, offenen Flächen können Suchtruppen eine vermisste Person leicht wiederfinden", sagt Neal Stewart von der University of Tennessee. Aber in bewaldeten Gebieten sei das deutlich schwieriger, besonders wenn ein Mensch schon längere Zeit vermisst wird. "Das brachte uns auf die Idee, Pflanzen als Hinweise auf eine menschliche Zersetzung zu nutzen", so Stewart.

Sattes Grün könnte Hinweis auf Leiche sein

Wenn ein durchschnittlich großer Erwachsener begraben wird, ist etwa eine drei Quadratmeter große Fläche von der Verwesung betroffen - Forscher sprechen von sogenannten Zersetzungsinseln.

Die dabei frei werdenden Stoffe beeinflussen auch das Wachstum der umliegenden Pflanzen. Der Körper eines Erwachsenen enthält beispielsweise etwa 2,6 Kilogramm Stickstoff, das sich während des Verwesungsprozesses vor allem in Ammonium umwandelt, schreiben die Forscher im Fachblatt "Trends in Plant Science" .

Die Menge an Stickstoff, die bei der Verwesung eines Menschen frei wird, ist demnach bis zu 50 Mal höher als die pro Saison empfohlene Menge an Stickstoffdünger für Gartenpflanzen. Das kann verschiedene Effekte haben.

Eine zu hohe Stickstoffkonzentration wirkt giftig. Bleibt sie jedoch auf einem bestimmten Level, bilden Pflanzen mehr Chlorophyll - der Farbstoff, der Blätter grün aussehen lässt. Wenn Pflanzen in einem Umkreis von etwa drei Quadratmetern abgestorben sind oder besonders satt grünen, könnte das also auf eine verscharrte Leiche hinweisen, so die Überlegung der Forscher.

Ob es sich bei dem Körper um einen Menschen oder ein großes Tier handelt, ließe sich damit jedoch nicht eindeutig bestimmen. Die Forscher wollen deshalb nun untersuchen, ob Pflanzen spezifisch auf den Verwesungsprozess von Menschen reagieren.

Helfen sollen dabei Untersuchungen auf der sogenannten Body Farm der University of Tennessee - eine Art Freiluftlabor, wo menschliche Körper verschiedenen Zersetzungsbedingungen ausgesetzt werden. Die Forscher hoffen dadurch, Spuren zu finden, die eindeutig auf eine menschliche Verwesung hinweisen.

Kettenraucher sind laut den Forschern beispielsweise einer ungewöhnlich hohen Menge an Cadmium ausgesetzt, das sich im Körper anreichert und während der Verwesung von den umgebenden Pflanzen aufgenommen wird. Das führt zu Veränderungen in bestimmten Pflanzenzellen, die sich mit einem Spektrometer nachweisen lassen.

Die Lösung klebte unterm Schuh

Pflanzen konnten in der Vergangenheit schon mehrere Verbrechen aufklären. Vor gut 60 Jahren führten Pollenanalysen österreichische Polizisten zu der Leiche eines Mordopfers.

Die Beamten wussten, dass der Mann tot war, und hatten auch einen Tatverdächtigen. Der wollte jedoch nicht sagen, wo er die Leiche vergraben hatte. Unter seinem Schuh stellten die Ermittler jedoch ein Pollenkorn des Hickorynussbaums sicher, der in Europa inzwischen nicht mehr natürlich vorkommt, aber vor Millionen Jahren entlang der Donau in der Nähe von Wien wuchs.

Dort fanden die Ermittler auch die Leiche des Opfers und konnten den Fall so aufklären. Inzwischen gibt es dafür ein eigenes Fachgebiet - die forensische Pollenanalyse.

koe

Mehr lesen über

Verwandte Artikel