Illegale Polizeistationen in 13 EU-Staaten vermutet China überwacht Landsleute in Europa

Brüssel · Hat Peking über hundert illegale Polizeistationen in den EU-Staaten etabliert, um Exil-Chinesen überwachen und beeinflussen zu können? Entsprechende Berichte machen in Brüssel und Berlin die Runde. Die EU-Kommission zeigt sich „zutiefst beunruhigt“, weicht konkreten Angaben aber aus.

 Der chinesische Präsident Xi Jinping mit chinesischen und europäischen Flaggen während einer EU-China-Videoschalte vor einem Jahr.

Der chinesische Präsident Xi Jinping mit chinesischen und europäischen Flaggen während einer EU-China-Videoschalte vor einem Jahr.

Foto: dpa/Huang Jingwen

Noch im Dezember äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „zutiefst besorgt über Bericht über verdeckte chinesische Polizeistationen auf EU-Gebiet“. Sollten sich die damaligen Hinweise einer Nichtregierungsorganisation bewahrheiten, „wäre es für uns inakzeptabel“. Sie kündigte an, dass EU-Innenkommissarin Ylva Johansson das Dossier bei den EU-Innenministerin einbringen werde. Knapp fünf Monate später reagiert die Kommission indes ausweichend auf die Nachfrage nach dem Stand der Aufklärung. Zumindest für Deutschland gibt es jetzt mehr Klarheit. Hier existierten „derzeit zwei sogenannte Übersee-Polizeistationen“, teilte Innen-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf Nachfrage der hessischen Bundestagsabgeordneten Joana Cotar mit.

Die offizielle Angabe Pekings geht anders. Danach bestreitet die chinesische Regierung strikt jede Existenz überseeischer Polizeistationen. Lediglich „Service-Stationen“ habe es auch in Deutschland gegeben; diese seien inzwischen aber geschlossen. Gleichwohl bleibt die Bundesregierung bei ihrer Feststellung, dass es solche Stationen weiterhin gebe. Es handele sich nicht um offizielle, durch bilaterale Verträge legitimierte Einrichtungen, sondern um „informelle Außenposten lokaler chinesischer Polizeieinheiten aus typischen Auswanderregionen Chinas“.

Ende des Jahres war bekannt geworden, dass China allein in Europa über hundert Übersee-Stationen etabliert habe, um über sie Exil-Chinesen zu überwachen, zu beeinflussen, zu schikanieren und sogar zur Rückkehr nach China zu bringen. Quelle war die spanische Nichtregierungsorganisation „Safeguard Defenders“. Sie hatte bereits im September die Existenz von 54 solcher Stationen aufgedeckt, dann im Dezember weitere 48 gemeldet - nach der Auswertung öffentlich zugänglicher Angaben in China. Laut Organisation sei ein in einem Pariser Vorort lebender chinesischer Staatsbürger von verdeckt arbeitenden Agenten zur Rückkehr in seine Heimat gezwungen worden. Auch chinesische Exilanten in Serbien und Spanien seien gewaltsam zurückgeführt worden.

Die Niederlande hatten daraufhin die Schließung von zwei illegalen chinesischen Polizeistationen angeordnet. Die EU-Kommission begrüßte den Schritt: „Wir nehmen jede versuchte ausländische Einmischung, Bedrohung oder Einschüchterung auf dem souveränen Territorium der EU-Mitgliedstaaten sehr ernst“, unterstrich eine Kommissionssprecherin. Es sei „von äußerster Wichtigkeit, Licht in diesen besorgniserregenden Trend zu bringen“.

Doch offenbar tappt die EU-Kommission auch viele Wochen danach noch im Dunkeln. Denn auf die Nachfrage des deutschen FDP-Europa-Abgeordneten Moritz Körner, ob der Kommission inzwischen bekannt sei, wie viele solcher inoffiziellen Polizeistationen in der EU existierten, kam nach zweieinhalbmonatiger Prüfung durch die Kommission nun die offizielle Antwort des Kommissionsvizepräsidenten Josep Borrell: „Die EU verfolgt die Berichte über ausländische Polizeistationen Chinas in mehreren EU-Mitgliedstaaten aufmerksam.“ Keine Zahlen, keine Daten, keine Hinweise. Nur die Verurteilung, dass es sich bei solchen exterritorialen polizeilichen Tätigkeiten um „schwere Verletzungen der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit, auf denen die Europäische Union gegründet ist,“ handele. Borrell sicherte Körner zu, dass die EU die Entwicklungen „weiterhin aufmerksam verfolgen“ werde und bereit sei „bei Bedarf“ ihre Mitgliedstaaten zu unterstützen.

Körner kann diese „Taten- und Ahnungslosigkeit der EU-Kommission“ kaum fassen. „Die illegal in der EU operierende Chinesen-Polizei bedroht die Souveränität der Mitgliedtsaaten“, stellt er fest. Und fügt hinzu: „Statt lediglich ihre Besorgnis auszudrücken, müsste Ursula von der Leyen hier längst handeln“. So lange sie dies nicht tue gefährde sie „sowohl die innere Sicherheit als auch die Weltpolitikfähigkeit der EU“.

Was in der Reaktion des EU-Außenbeauftragten Borrell fehlt, lieferte inzwischen das Bundesinnenministerium in Berlin - eine Übersicht über die Staaten in Europa, in denen China nach Pressemeldungen Übersee-Polizeistationen aufgebaut hat. 13 EU-Staaten und drei Nicht-EU-Staaten sind danach von den illegalen chinesischen Aktivitäten betroffen. Die Innen-Staatssekretärin wertete dafür entgegen des aktuellen offiziellen Dementis aus Peking frühere chinesische Verlautbarungen aus, wonach diese Polizeistationen nicht nur für Auskünfte und Rechtsberatung zur Verfügung stünden, sondern auch ideologische und politische Leitlinien propagieren und „Informationen über Mitglieder der Diaspora sammeln“ sollten.

Auch der deutsche Verfassungsschutz weiß, dass chinesische Dienste in Deutschland aktiv sind und „oppositionelle chinesische Gruppierungen“ aufklärten. Eine zentrale Rolle spiele das Ministerium für Staatssicherheit, das auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet sei, heißt es im jüngsten Verfassungsschutzbericht.

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