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Erstochenes Baby: Totschlag statt Mord

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Garmisch-Partenkirchen - Kein Baby-Mord, sondern Totschlag: Dafür hat der Staatsanwalt im Fall der Garmisch-Partenkirchnerin plädiert, die im Februar ihr Kind erstochen hatte.

Den ganzen dritten Prozesstag lang hatte die Angeklagte stumm auf der Bank gesessen, mit schmerzverzerrtem Gesicht, einer Packung Taschentücher in der Hand. In ihrem letzten Wort versuchte sie dann, ihre Gefühle in Sätze zu kleiden: „Ich könnte 1000 Worte sagen, und kein einziges könnte ausdrücken, wie leid es mir tut.“ Ständig sehe sie die grausamen Bilder vor sich. Sie vermisse ihre Tochter so sehr und wisse nicht, wie sie ohne sie leben solle. „Wenn ich es ungeschehen machen könnte, würde ich es tun.“

Doch sie kann ihre Tat nicht ungeschehen machen. Die 24-jährige, junge Mutter hat heuer am 1. Februar ihr eigenes Kind erstochen. Der Säugling war erst zehn Wochen alt. Seit Montag dieser Woche muss sich die Garmisch-Partenkirchenerin deshalb vor dem Schwurgericht München II verantworten. An diesem Donnerstag um 13 Uhr spricht die Kammer das Urteil. Vor allem wird es darum gehen, für wie schuldfähig das Gericht die psychisch labile Frau, die unter postpartalen Depressionen und Zwangsgedanken litt, hält.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft München II die Tat als Mord angeklagt. Doch am Ende des Prozesses plädierte selbst Staatsanwalt Thomas Lenz auf Totschlag und forderte dafür sechs Jahre Haft. In der Anklage war er vom Mordmerkmal der niederen Beweggründe ausgegangen. Davon rückte er jedoch im Schlussvortrag ab. Einerseits lägen zwar schon egoistische Motive vor, sprich, dass sich die junge Mutter der Sorge um das kleine Kind entledigen wollte. Andererseits habe sie jedoch - subjektiv empfunden - für das Baby gehandelt. Sie sei überzeugt gewesen, dass es dem Kind „im Paradies besser geht“. Das habe nichts damit zu tun, dass sie zum Beispiel mehr hätte ausgehen wollen.

Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ging der Staatsanwalt von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Da er die Gefahr sah, dass die Garmisch-Partenkirchenerin wieder gewalttätig werden könnte, forderte er ihre Unterbringung in der Psychiatrie. Es bestehe „eine explosive Mischung“ aus einer Persönlichkeitsstörung und der Fähigkeit, zu solchen Gewalthandlungen zu schreiten, sagte Lenz. „Das Gewaltpotential kann jederzeit wieder aufbrechen.“ Vor allem bestehe die Gefahr, dass sie andere bei einem Suizid mitnehmen wolle.

Auch Verteidigerin Heidi Pioch ging von verminderter Schuldfähigkeit bei der Angeklagten aus und plädierte auf fünf Jahre wegen Totschlags. Hier liege ein klassischer minderschwerer Fall vor - unter anderem wegen des seelischen Ausnahmezustands. Die Einweisung in die Psychiatrie stellte sie ins Ermessen des Gerichts.

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Cornelis Stadtland hatte der 24-Jährigen verminderte Schuldfähigkeit attestiert. Sie leide unter einer „emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typus“.

(Nina Gut)

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