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Kultur Westfeldzug

Wie Hitler vor 70 Jahren Frankreich überrannte

Angriff auf Holland, Belgien und Frankreich

Beim Westfeldzug plant Adolf Hitler, unter Bruch der Holländischen und Belgischen Neutralität, Frankreich von Norden her anzugreifen. Gleichzeitig will er vom Osten über die Ardennen vorstoßen.

Quelle: STUDIO_HH

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Am 10. Mai 1940 überfällt Deutschland die neutralen Benelux-Staaten und marschiert in Frankreich ein. In nur vier Wochen triumphiert das Dritte Reich.

"Die Stunde ist gekommen. Die Motoren unserer Fahrzeuge heulen noch mal auf, dann setzt sich die lange Kolonne in Bewegung. Kein Schuss fällt, die Holländer scheinen noch zu schlafen. Wie eine Übung mutet das Ganze an. Oder wie ein Maiausflug mit Luftwaffenbegleitung.“ So beschreibt ein Gefreiter der 35. Infanterie-Division am 10. Mai 1940 um 5 Uhr 35 jene Offensive, mit der sich die Nationalsozialisten zu den Herren Westeuropas aufschwingen sollten: der Westfeldzug.

Opfer von Hitlers Machtgelüsten ist Frankreich, Krieg gegen die drei neutralen Beneluxstaaten Luxemburg, Belgien und die Niederlande nimmt er für dessen Ausschaltung rücksichtslos in Kauf. Dabei spielt der Westfeldzug für den weiteren Verlauf des Krieges eine kaum zu überschätzende Rolle. Hier wird die Taktik des Bewegungskriegs geboren, hier erhält die Wehrmacht den Nimbus der Unbesiegbarkeit und sammelt Selbstvertrauen für den späteren Überfall auf das sowjetische Riesenreich.

Sitzkrieg statt Blitzkrieg

Zwei Tage nach dem Überfall auf Polen, am 3. September 1939, hatten Großbritannien und Frankreich dem Dritten Reich den Krieg erklärt. Tatsächlich zog Frankreich Truppen vor der deutschen Grenze zusammen, doch kam es zu keinem großangelegten Angriff. Stattdessen belauerten sich deutsche und französische Truppen gegenseitig misstrauisch.

Jeder wartete auf den ersten Schritt des anderen. Der sogenannte „Sitzkrieg“, französisch drôle de guerre („drolliger Krieg“), begann. Ein Leutnant berichtete: „Wir versuchen so gut es geht, die Zeit totzuschlagen. Entweder Krieg oder Frieden, aber so ein Zwischending ist fürchterlich“.

Die Skepsis der Wehrmacht war angesichts der ungleichen Kraftverhältnisse verständlich. Die Deutschen verfügten zwar über rund 3,4 Millionen Mann, während die Westmächte nur auf rund drei Millionen Soldaten kamen. Ein deutliches Übergewicht der Alliierten zeigte aber ein Vergleich der Artillerie: Mit fast 14.000 Geschützen besaßen die Alliierten fast doppelt so viele Kanonen wie Deutschland. Auch bei Panzern und Flugzeugen schienen sie übermächtig.

Westfeldzug: Mansteins Sichelschnittplan überzeugte Adolf Hitler

Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) arbeitete eher halbherzig Angriffspläne aus. Einzig und allein General Erich von Manstein präsentierte eine eigene, kühne Idee: den Sichelschnittplan. Er schlug vor, Holland zu besetzen und den Gegner dadurch zu verleiten, seine starken Verbände in Richtung Belgien in Marsch zu setzen. Die eigenen schnellen Einheiten sollten dagegen wie ein Sturmbock zusammengefasst werden. Sie sollten mit einem Stoß durch die Ardennen den Gegner überraschen, zügig die Kanalküste erreichen und die alliierten Einheiten wie eine Sichel von ihrer Ausgangsbasis abschneiden.

Das OKW hielt von diesem Plan wenig, galt doch das Mittelgebirge der Ardennen für Panzer als kaum passierbar. Trotzdem erhielt Manstein später die Chance, Hitler persönlich seine Taktik vorzustellen. Tatsächlich war der Führer von der Idee des Generals angetan und setzte sie größtenteils um. Denn Hitler liebte derartige riskante Vabanque-Spiele.

Die Alliierten dagegen rechneten zwar mit einem deutschen Angriff, fühlten sich hinter der Maginot-Linie, einer gewaltigen Verteidigungsanlage, jedoch sicher. Sie erwarteten zwar, dass die Deutschen über Belgien und die Niederlande kämen. Die Ardennen wie das Tal des Flusses Maas galten dagegen als kaum zu überwindende Naturbarrieren. Entsprechend waren die Truppen verteilt: Die besten Verbände konzentrierten sich im Norden, während weiter südlich an der Maas weniger kampfkräftige Armeen aufmarschierten.

Dem Frankreichfeldzug ging der Griff nach Skandinavien vorweg

Besetzung von Dänemark und Norwegen 1940

Am neunten April 1940 landen deutsche Truppen in mehreren Häfen Dänemarks und Norwegens. Angeblich um deren Neutralität zu wahren werden die Länder besetzt.

Quelle: STUDIO_HH

Bevor Hitler jedoch die Wehrmacht nach Frankreich schickte, wandte er sich einem anderen Schauplatz zu: Norwegen. „Hierdurch soll englischen Übergriffen nach Skandinavien und der Ostsee vorgebeugt, unsere Erzbasis in Schweden gesichert und für Kriegsmarine und Luftwaffe die Ausgangsstellung gegen England erweitert werden“, erklärt er.

Am 7. April begann der deutsche Aufmarsch, die Kriegsmarine stellte die Hauptkräfte. Zwei Tage später liefen um 5 Uhr morgens drei deutsche Truppentransporter in den Hafen von Kopenhagen ein. Die Infanterie stürmte das Königliche Schloss, gleichzeitig rollten motorisierte Verbände der Wehrmacht durch Dänemark. Gegenwehr von Seiten der Dänen gab es nicht. Das Unternehmen „Weserübung“ begann.

Ganz so reibungslos wie in Dänemark verlief die Besetzung Norwegens nicht. Mit britischer Unterstützung setzten sich die Norweger heftig zur Wehr. Die überlegene britische Flotte und norwegische Küstenbatterien nahmen die deutschen Verbände unter starken Beschuss. Bereits am ersten Tag des Angriffs sank der schwere Kreuzer „Blücher“ vor Oslo. Dennoch gelang es der Wehrmacht nach zwei Tagen, alle wichtigen Häfen und Flugplätze in Süd- und Mittelnorwegen zu besetzen.

Schnell beherrschten die Deutschen den Luftraum

Ein besonders heftiger Kampf entbrannte um die Stadt Narvik. Norwegischen, britischen, französischen und polnischen Einheiten gelang am 28. Mai die zeitweilige Rückeroberung. Den Deutschen drohte eine herbe Niederlage. Aufgrund der schwierigen Lage in Frankreich – der Westfeldzug war mittlerweile in vollem Gange – sahen sich die Alliierten jedoch gezwungen, ihre Truppen abzuziehen. Ohne die Hilfe ihrer Verbündeten blieb der norwegischen Armee nichts anderes übrig, als am 10. Juni zu kapitulieren.

Den ersten Schlag im Westen führt Görings Luftwaffe. Sie zerstört rund 350 feindliche Maschinen noch am Boden. Deutsche Flugzeuge, allen voran das Jagdflugzeug Messerschmitt Bf 109, beherrschen den Luftraum. Das kleine Luxemburg ist innerhalb weniger Stunden besetzt. Lastensegler landen auf dem Plateau des wichtigen belgischen Forts Eben-Emael am Albert-Kanal, das zügig eingenommen wird.

Der deutsche Vorstoß gegen die Niederlande geht ebenfalls rasch voran, fordert aber hohe Verluste. Bereits am 15. Mai – nur fünf Tage nach Kriegsbeginn – kapitulieren die niederländischen Streitkräfte. Dafür verantwortlich sind auch die schweren Luftangriffe auf Rotterdam, bei denen die historische Altstadt zerstört wird und rund 800 Menschen den Tod finden. Königin Wilhelmina und die Regierung gehen nach Großbritannien ins Exil.

Möglichkeit zum vernichtenden Gegenschlag wurde nicht ergriffen

Unterdessen setzen sich die britisch-französischen Truppen des linken Flügels in Bewegung und marschieren zur belgischen Dijle-Breda-Stellung, um die deutschen Soldaten aufzuhalten – Mansteins Plan scheint aufzugehen. Bereits am 15. Mai durchbricht die Wehrmacht die Stellung, einen Tag später fällt Brüssel.

Doch dafür ist der Marsch über die schwer passierbaren Ardennen Richtung Sedan akut gefährdet: Französische Aufklärungsflieger entdecken die "Panzergruppe Kleist“. Allerdings lassen die Alliierten ihre Chance verstreichen, mit einem Schlag die gesamte deutsche Panzerwaffe zu zerschlagen.

Am 13. Mai beginnt der Angriff auf die Maas bei Sedan. Zuerst richten schwere Bombenangriffe der Luftwaffe verheerende Schäden an. Anschließend überwindet die deutsche Infanterie den Fluss, errichtet Brückenköpfe und bahnt den nachfolgenden Panzern den Weg. Unter den überrumpelten Franzosen bricht eine Massenpanik aus, fluchtartig treten sie den Rückzug an und zerstreuen sich. Da sie die Ardennen für Panzer unüberwindbar hielten, hatten sie an dieser Stelle mit keinem Angriff gerechnet.

Rommel und Guderian widersetzten sich Weisungen Hitlers

Um den Alliierten den Weg abzuschneiden, hatte Manstein einen schnellen Vorstoß zur Kanalküste vorgeschlagen. Doch Hitler schreckt vor den Risiken zurück. Stattdessen sollen die Panzer auf die Unterstützung aufrückender Infanterieverbände warten.

Befehlshaber Ewald von Kleist befiehlt den Panzern anzuhalten. Zwei ihm unterstellte Kommandeure, Heinz Guderian und Erwin Rommel, ignorieren diese Order aber beharrlich – und ziehen um den Preis hoher Verluste weiter. Guderian schert mit den Panzern aus dem Brückenkopf von Sedan aus, stößt wie eine Sichel in Richtung Küste vor. Die Panzerdivisionen rücken ohne Flankenschutz vor. Später bringt Guderian seine rasante Fahrt die Spitznamen „schneller Heinz“ und „Heinz Brausewind“ ein.

Hitler ist kann die ungestümen Kommandeure kaum bremsen. Stabschef Halder notiert am 17. Mai in sein Tagebuch: „Der Führer ist ungeheuer nervös. Er hat Angst vor dem eigenen Erfolg. Er tobt und brüllt, man sei auf dem Wege, die ganze Operation zu verderben.“

Das „Wunder von Dünkirchen“

Am 20. Mai – nur 10 Tage nach Kriegsbeginn – erreicht die Wehrmacht die Kanalküste. Die alliierten Truppen ziehen sich in den Raum Dünkirchen zurück, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A, Gerd von Rundstedt, lässt die Panzer sofort anhalten. Er scheut den Kampf in dem schwierigen Gelände und will warten, bis die Infanterie aufgeschlossen hat.

Der entnervte Hitler, der wieder Herr der Lage werden will, bestätigt den Haltbefehl. Er überlässt Rundstedt die Entscheidung zum Angriff. Sieben Tage später, als sich die deutschen Truppen sammeln, ist es zu spät, um das zur Festung ausgebaute Terrain zu überrennen.

Stattdessen beginnt die einmalige Rettungsaktion Operation „Dynamo“ unter Leitung von Admiral Sir Bertram Ramsay. 338.000 Briten und Franzosen können nach England entkommen. Dabei wird auf jedes verfügbare Wasserfahrzeug zurückgegriffen, selbst Fischkutter werden zu Truppentransportern. Als hilfreich für die Alliierten erweist sich das schlechte Wetter. Die deutsche Luftwaffe kann nur wenige Angriffe fliegen.

Selbst Hitler war vom Erfolg der Wehrmacht überrascht

"Fall Gelb" – der Westfeldzug beginnt

Am 10. Mai 1940 um 5:35 begann der "Fall Gelb", Hitlers Westfeldzug. Deutsche Truppen überrannten in wenigen Tagen die Niederlande, Belgien, Luxemburg und nur wenige Wochen später Frankreich.

Quelle: STUDIO_HH

Sämtliche alliierte Geräte müssen aber am Strand zurückgelassen werden: hunderte Geschütze und mehr als 60.000 Fahrzeuge geraten in die Hände der Deutschen. 40.000 Franzosen gehen in Kriegsgefangenschaft. Trotzdem schafft das „Wunder von Dünkirchen“ die Voraussetzung dafür, dass Großbritannien den Krieg später alleine weiterführen kann.

Am 28. Mai muss Belgien schließlich kapitulieren. Damit ist Fall „Gelb“ abgeschlossen. Die deutschen Erfolge lösen bei den Alliierten Ungläubigkeit und Bestürzung hervor. Aber auch die Wehrmacht einschließlich Hitlers ist von der Schnelligkeit des Feldzugs überrascht. „Keiner von uns hatte daran gedacht“, schreibt an Gefreiter des Artillerie-Regiments 69 angesichts des rasanten Vordringens an seine Familie.

Fall Rot: Eroberung des restlichen Frankreich

Nach der Vernichtung des größten Teils der britisch-französischen Kräfte beginnt Fall „Rot“: Die Eroberung des restlichen Frankreich. General Louis Maxime Weygand stellt eine Verteidigungslinie quer durch Nordfrankreich auf, für die ihm allerdings nur 49 schwache Divisionen zur Verfügung stehen.

Am 5. Juni eröffnet die von Luftstreitkräften unterstützte Heeresgruppe B den Angriff auf die Weygand-Linie in Richtung der unteren Seine. Die Panzergruppen können erneut ihre unaufhaltbare Sturmfahrt aufnehmen und stoßen in Richtung Südwesten in den Rücken der Maginot-Linie vor. Hier ist der Zusammenbruch der französischen Front nur noch eine Frage der Zeit.

Selbst der Waffenstillstandsvertrag birgt eine Demütigung

Am 10. Juni verschlechtert sich die Lage Frankreichs dramatisch: Als der Feldzug bereits faktisch entschieden ist, erklärt Mussolini den Kriegseintritt Italiens. Ausschlaggebend aber sind die Erfolge der Deutschen. Am 12. Juni bricht sie die Pariser Schutzstellung und besetzt zwei Tage später kampflos die Hauptstadt Frankreich.

Rommel stößt mit der 7. Panzerdivision unaufhaltsam in Richtung Cherbourg, dann zur spanischen Grenze vor. Im Osten Frankreichs werden die französischen Streitkräfte durch den deutschen Vorstoß an der Rhône abgeschnitten.

Die Lage für Frankreich ist aussichtslos. Am 17. Juni bittet die französische Regierung um Waffenstillstandsverhandlungen, fünf Tage später unterzeichnen Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, und der französische General Charles Huntziger den Waffenstillstandsvertrag. Und zwar ausgerechnet in einem historischen Salonwagen in der Nähe von Compiègne, wo Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg ebenfalls einen Waffenstillstandsvertrag unterzeichnen musste. Den alten Waggon lässt Hitler eigens aus einem Museum herbeischaffen.

Nach vier Wochen existiert die ehemalige Kontinentalmacht nicht mehr

Nach dem Ende des Westfeldzuges bleibt der nördliche Teil sowie die Atlantikküste Frankreichs besetzt. Im unbesetzten südöstlichen Gebiet residiert die Regierung in Vichy unter Henri Philippe Pétain, dem französischen Kriegshelden des Ersten Weltkriegs, und dessen leitendem Minister Pierre Laval.

Allerdings verliert dieser französische Rumpfstaat seine außenpolitische Souveränität und muss Deutschland wirtschaftlich unterstützen. Ganz anders General Charles de Gaulle, der während des Westfeldzuges vereinzelte Erfolge gegen die Wehrmacht erzielen konnte: Er flieht nach London und erklärt sich zum „Führer der Freien Franzosen“.

Die Bilanz für Frankreich ist vernichtend: 360.000 Soldaten sind tot, vermisst oder in Gefangenschaft. Die stärkste Kontinentalmacht der 20er- und 30er-Jahre ist auf ganzer Linie besiegt. Demgegenüber liegen die Verluste der Wehrmacht bei rund 140.000 Mann. Was im Ersten Weltkrieg binnen vier Jahren nicht gelang, erreicht Hitlers Wehrmacht innerhalb von nur vier Wochen. Dabei war Deutschland weder militärisch überlegen noch kam der Angriff überraschend.

Hitler wird als „größter Feldherr aller Zeiten“ gefeiert

Dies sind die größten Feldherrn aller Zeiten

In mehreren Büchern hat der Historiker und Journalist Jan von Flocken die herausragenden militärischen Führer der Geschichte vorgestellt. Im Folgenden begründet er seine persönlichen Spitzenreiter.

Quelle: Picture Alliance / Wikipedia

Als Gründe für Frankreichs Niederlage führen Historiker die mangelnde Moral der französischen Truppen an. Das Land war innerlich zerrüttet, die Koordination der internationalen Truppen zum Teil miserabel. Zudem hatten sich die Alliierten auf einen langanhaltenden Stellungskampf eingestellt, mit der deutschen Taktik des Bewegungskrieges hatten sie nicht gerechnet.

Gerade diese Strategie macht Hitlers Armeen in den beiden kommenden Jahren scheinbar unbezwingbar. In der Propaganda bürgert sich der Begriff „Blitzkrieg“ ein. Die Wehrmacht erhält den Nimbus der Unbesiegbarkeit, Hitler steht im Zenit der Macht und wird als „Größter Feldherr aller Zeiten“ gefeiert. Großbritannien steht nun allein der gesamten Kriegsmaschinerie Deutschlands gegenüber- zumindest bis Hitler am 22. Juni 1941 den Befehl zum Angriff auf die Sowjetunion gibt.

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