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Zweiter Verhandlungstag

Hotelgäste bestreiten Antisemitismus-Vorwurf von Ofarim: „Da stimmt nichts von, er hat gepöbelt“

Der Musiker Gil Ofarim am Mittwoch auf dem Weg zur Anklagebank im Landgericht Leipzig.

Der Musiker Gil Ofarim am Mittwoch auf dem Weg zur Anklagebank im Landgericht Leipzig.

Leipzig. Hat der Musiker Gil Ofarim die Antisemitismus-Attacke eines Managers im Leipziger Hotel „The Westin“ tatsächlich nur erfunden?

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Während seine Verteidiger am zweiten Prozesstag die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen in Zweifel zogen, fand sich keiner der vom Gericht befragten Zeugen, die Ofarims Version vom Abend des 4. Oktober 2021 bestätigte – ganz im Gegenteil. Immerhin ein Zeuge will die viel zitierte Kette mit Davidstern auch schon im Hotel gesehen haben.

Verteidiger: Zeuge soll bewusst gelogen haben

Dagmar K. (63) hat die Whatsapp-Nachricht ihrer Freundin noch gespeichert. „War das wirklich da los?“, fragte die Bekannte am 5. Oktober vor zwei Jahren an und schickte das millionenfach geteilte Handy-Video, welches Ofarim vor der Leipziger Spitzenherberge aufgenommen hatte. Darin behauptet der offenbar aufgewühlte Promi, dass ein Manager des Hotels ihn aufgefordert habe, seine Kette mit dem Davidstern abzunehmen, bevor er einchecken könne: „Packen Sie Ihren Stern ein.“

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Vorruheständlerin Dagmar K. stand direkt hinter Ofarim, als dieser am 4. Oktober am Check-in wartete. „Das stimmt definitiv nicht“, erwiderte sie ihrer Freundin. „Er hat gepöbelt. Da stimmt nichts von, unglaublich.“ Als Zeugin vor Gericht bestätigte sie am Mittwoch: Den Satz mit dem Stern „habe ich nicht gehört. Wenn jemand in einer solchen Form angegriffen wird, wäre ich mit Sicherheit eingeschritten.“

Hat Gil Ofarim mit schlechter Internetbewertung gedroht?

Knapp acht Stunden zuvor hatte Hotelmanager Markus W. vor Gericht ausgesagt, dass es bei dem Streit am Check-in weder um den Davidstern noch um antisemitische Äußerungen gegangen sei. Er habe den Musiker, der vom Hotel als VIP avisiert worden war, nicht erkannt und dessen Namen auch nicht gegoogelt. Die Verteidigung hält das für eine „später hinzugedichtete Schutzbehauptung“. Auch dessen Aussage, Ofarim das Einchecken verweigert zu haben, weil dieser mit einer schlechten Internetbewertung gedroht habe und „der Welt erklären wollte, was das für ein Scheißhotel ist“, sei nicht nachvollziehbar. W. soll in einer früheren Befragung erklärt haben, dass derartige Drohungen von Gästen häufiger vorkämen und Social Media ein Druckmittel von Gästen sei.

Überraschend verzichteten Ofarims vier Anwälte darauf, den Hauptbelastungszeugen zu befragen. Stattdessen beantragten sie, Markus W. zu vereidigen, da dieser in einigen Punkten bewusst gelogen habe. Bemerkenswert: Dem Hotelmanager zufolge soll die Ofarim-Seite Gespräche für einen Täter-Opfer-Ausgleich initiiert haben. Er habe eine öffentliche Entschuldigung, Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt, so W. Zu einem Ergebnis sei es nie gekommen.

Hotelgast will Kette mit Davidstern im Hotel gesehen haben

Das Gericht wies den Antrag auf eine Vereidigung von W. zurück. „Die Kammer hat keine konkrete Überzeugung, dass der Zeuge bisher nicht die volle Wahrheit gesagt hat“, so der Vorsitzende Richter Andreas Stadler. Die Aussage des Hotelmitarbeiters sei auch nicht das einzige Beweismittel, da weitere Zeugen Angaben gemacht hätten.

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Richter Andreas Stadler lehnte es ab, den Hauptbelastungszeugen im Ofarim-Prozess zu vereidigen.

Richter Andreas Stadler lehnte es ab, den Hauptbelastungszeugen im Ofarim-Prozess zu vereidigen.

Etwa Sophie G. (25), die an jenem Abend Dienst am Schalter hatte. Auch sie will einen sehr aufgebrachten Gil Ofarim erlebt haben, der sich wild gestikulierend und in schroffem Ton beschwert habe. Von antisemitischen Beleidigungen habe sie nichts mitbekommen. Erst später sei ihr berichtet worden, dass der Musiker mittlerweile in einem anderen Leipziger Hotel an der Bar sitze und derartige Vorwürfe in lautstarkem Ton verbreiten würde. „Ich war schockiert und überrascht“, so die damalige Hotelangestellte.

Hotelgast Thomas S. (58) will in der Lobby immerhin die Davidstern-Kette bei Ofarim gesehen haben – laut Anklage sei diese im „Westin“ nicht mehr sichtbar gewesen. Aber auch er hat dazu keinerlei Äußerungen gehört.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Musiker falsche Verdächtigung in zwei Fällen sowie Verleumdung vor. Im Zusammenhang mit einer presserechtlichen Auseinandersetzung mit der LVZ soll Ofarim auch falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben haben. Das Gericht hat Verhandlungstermine bis 7. Dezember geplant. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass die Strafkammer zusätzliche Zeugen vernimmt.

LVZ

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