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Die Geschichte der DDR | Deutsche Teilung - Deutsche Einheit | bpb.de

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Die Geschichte der DDR

Wilhelm Bleek

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Am 7.10.1949 konstituierte sich nach der BRD der zweite deutsche Staat durch die Inkraftsetzung der "Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik". Wilhelm Bleek analysiert das System Ulbricht bis hin zu Krise und Untergang der SED-Herrschaft.

Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR am 7.Oktober 1989. Die landesweiten Proteste wurden von der Parteiführung ignoriert. Nur einen Monat später fiel die Berliner Mauer. (© Bundesarchiv, Bild 183-1989-1007-402, Foto: Klaus Franke)

1. Vorgeschichte und Gründung (1945-1949)

Am 7.10.1949 konstituierte sich nach der BRD der zweite deutsche Staat durch die Inkraftsetzung der "Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik". Name sowie erste Verfassung der DDR gingen auf einen Verfassungsentwurf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED, PDS-SED ) vom 14.11.1946 zurück, der 1948/49 den Verfassungsberatungen im Rahmen der Volkskongressbewegung zugrunde lag. Der Name des neuen Staates war ein deutschland- und innenpolitisches Programm. In demokratietheoretischer und staatsorganisatorischer Hinsicht wurden die ostdeutschen Verfassungsdiskussionen von einer radikaldemokratischen und -parlamentarischen Interpretation der Maxime der Demokratie geprägt. Unter Ablehnung aller Konzeptionen von horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung wurde unter Demokratie die uneingeschränkte Ausübung der Volkssouveränität durch die vom Volk nach dem Verhältniswahlrecht gewählte Volkskammer verstanden.

Die Verwirklichung der Demokratie setzte außerdem nach Ansicht der sowjetischen Besatzungsmacht, die damals von allen ostdeutschen Parteien geteilt wurde, die Beseitigung der sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen des Faschismus voraus. Entsprechend wurde 1945/46 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) eine rigorose Entnazifizierung in Justiz, Verwaltung und Erziehungswesen durchgeführt, durch die Bodenreform der agrarische Großgrundbesitz von "Junkern, Kriegsverbrechern und aktiven Nazis" an Neubauern verteilt und das Industrievermögen von "Militaristen und Imperialisten" enteignet. Die SED und die Sowjetische Militäradministration (SMAD) beriefen sich bei diesen Maßnahmen auf die von den drei Siegermächten während der Potsdamer Konferenz im August 1945 für alle Besatzungszonen beschlossenen politischen und wirtschaftlichen Grundsätze. Ihre Politik richtete sich verbal und zunächst auch real auf Gesamtdeutschland. Die Sowjetunion erhoffte sich davon größere Zugriffsmöglichkeiten auf das deutsche Wirtschaftspotential (Reparationsfrage). Die SED strebte als sozialistische Massenpartei aus Kommunisten und Sozialdemokraten (Vereinigungsparteitag von SPD und KPD am 21./22.4.1946 in Berlin) die politische Führungsstellung in D an und formulierte zu diesem Zweck ihr Gründungsprogramm eines demokratischen und nichtrevolutionären "besonderen deutschen Weges zum Sozialismus" (A. Ackermann).

Diesen gesamtdeutschen Erwartungen entzog die weltpolitische Entwicklung die Basis. Die Interessengegensätze der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs verschärften sich ab 1947 zum "Kalten Krieg". An die Stelle vager gesamtdeutscher Perspektiven trat in Ost- und Westdeutschland die Sicherung des eigenen Herrschaftsgebietes. In der SBZ wurde im Juni 1947 mit der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) ein zentraler Verwaltungsapparat geschaffen, im Juni 1948 nach dem Vorangehen der Westzonen eine separate Wirtschaftsreform durchgeführt, im Monat darauf der erste Zweijahresplan verkündet und in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 die SED zu einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei "neuen Typus" transformiert. So wurde am 7.10.1949 dem Anspruch nach die Verfassung eines gesamtdeutschen Staates in Kraft gesetzt (Art. 1: "Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik"), faktisch aber waren die Weichen für die Errichtung einer separaten politischen und wirtschaftlichen Ordnung nach sowjetischem Vorbild in Ostdeutschland - wie entsprechend in Westdeutschland nach dem Vorbild der West-Alliierten - längst zuvor gestellt worden. W. Pieck (SED, früher KPD) wurde der erste Präsident, O. Grotewohl (SED, früher SPD) der erste Ministerpräsident der DDR.

2. Aufbau des Sozialismus (1950-1961)

Der führende Politiker in der SBZ bzw. der DDR war seit dem Kurswechsel 1947/48 der Altkommunist W. Ulbricht. Nach dem III. Parteitag der SED im Juli 1950 wurde er zum Generalsekretär der Einheitspartei gewählt und hatte dieses wichtigste Amt im politischen System der DDR - nach dem 17.6. 1953 als "Erster Sekretär des ZK der SED" - bis 1971 inne. Unter Ulbrichts Führung wurde die Umgestaltung der politischen und wirtschaftlichen Ordnung der DDR nach dem Vorbild der Sowjetunion zum Programm. Schon im Februar 1950 wurde ein Ministerium für Staatssicherheit etabliert, das sich seitdem als "Schwert und Schild der Partei" im Dienste der Überwachung aller DDR-Bürger und insbesondere die Unterdrückung jeglicher oppositioneller Regungen immer mehr ausdehnte.

Auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wurde der "Aufbau des Sozialismus" auch offiziell verkündet. Der Anteil des "volkseigenen" Sektors an Produktion und Handel wuchs, die Schwerindustrie wurde bevorzugt gefördert und die Kollektivierung der Landwirtschaft eingeleitet. Die Staatsorganisation wurde nach den Maximen der Volksdemokratie und des demokratischen Zentralismus zu einem gefügigen Instrument der politischen Herrschaft und planwirtschaftlichen Lenkung der Einheitspartei umgeformt: Einheitslisten zu den ersten Volkskammerwahlen (15.10. 1950), Säuberungen und Anpassung in den bürgerlichen Parteien, Einsatz der Strafjustiz als Mittel politischer Abschreckung, Ausschaltung und Beseitigung der Selbstverwaltung durch Auflösung der fünf Länder und Neugliederung in 14 Bezirke (25.7.1952), zu denen (Ost-)Berlin als "Hauptstadt der DDR" hinzukam.

Diese rigorose Transformationspolitik geriet mit Stalins Tod (5.3.1953) in eine Krise. Die neue sowjetische Führung befahl der SED einen "Neuen Kurs" größerer politischer und wirtschaftlicher Rücksichtnahme auf die Bevölkerung. Da dennoch die kurz zuvor erhöhten Arbeitsnormen nicht zurückgenommen wurden, kam es am 16.6.1953 zum Streik von Ostberliner Bauarbeitern, der sich am folgenden Tag zu einer Protestbewegung für verbesserte Arbeitsbedingungen, freie Wahlen und die Ablösung der Regierung in der DDR ausweitete. Angesichts der Ohnmacht von ostdeutscher Partei- und Staatsführung konnte der Aufstand nur durch sowjetische Besatzungstruppen niedergeschlagen werden. Die Ereignisse des 17.6.1953 ließen die sowjetische Führung an Ulbricht, dessen Ablösung zuvor erwogen worden war, als Garanten von Sicherheit und Ordnung festhalten.

Die folgenden Jahre brachten eine relative Festigung der internationalen Position der DDR und der innenpolitischen Herrschaft der SED. 1955 übertrug die Sowjetunion, nach dem endgültigen Scheitern ihrer Bemühungen, auf diplomatischem Wege die politische und militärische Westintegration der BRD (Außenpolitik) zu verhindern (Stalin-Note vom 10.3. 1952), der DDR die "volle Souveränität". Der Aufbau der "Nationalen Volksarmee" und die Aufnahme der DDR in den Warschauer Pakt wurden beschlossen. Innenpolitisch verbesserte sich die allgemeine Lebenslage der Bevölkerung, und die SED-Führung um Ulbricht konnte 1956 intellektuelle Kritiker wie W. Harich und 1958 die letzten parteiinternen Konkurrenten wir K. Schirdewan und E. Wollweber ausschalten. Nach dem Tode Piecks trat 1960 an die Stelle des Staatspräsidenten der Staatsrat als kollektives Staatsoberhaupt. Mit der Übernahme des Staatsratsvorsitzes identifizierte sich Ulbricht selbst als Symbolfigur der DDR. Doch Ende der 50er Jahre erhöhten überspannte Wirtschaftspläne, die Forcierung der Kollektivierung der Landwirtschaft und die durch Drohungen N. S. Chruschtschows verschärfte Berlin-Krise die Labilität der DDR wieder dramatisch. Die Flüchtlingswelle von Ost- nach Westdeutschland (1949-1961: 2,7 Mio.) schwoll erneut dramatisch an und das SED-Regime meinte der damit verbundenen personellen und wirtschaftlichen Ausblutung ihres Staates nur durch die Schließung der Grenzen am 13.8.1961 Einhalt bieten zu können.

3. Das System Ulbricht (1962-1970)

Der Bau der Berliner Mauer, im Westen als Eingeständnis der totalen Schwäche und Unmenschlichkeit des DDR-Regimes angeprangert, wurde zum Ausgangspunkt seiner zeitweisen Konsolidierung. Arbeitende Bevölkerung und herrschende Partei mussten nun zu einem wechselseitigen Arrangement finden. Auf ihrem VI. Parteitag im Januar 1963 beschloss die SED nicht nur ihr (erstes) Parteiprogramm, sondern verkündete mit dem "Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL)" auch ein flexibleres Wirtschaftssystem. Es zielte durch den Einbau marktwirtschaftlicher Elemente in die Planwirtschaft auf eine stärkere Beteiligung der Betriebe und Arbeiter und damit auf eine höhere Produktivität. Mit der Modernisierung des ökonomischem Systems gingen Reformen im gesellschaftlichen Bereich (z.B. durch das Bildungsgesetz von 1965) einher. Die DDR nahm Züge einer "sozialistischen Leistungsgesellschaft" an, in der nicht mehr nur politische Rechtgläubigkeit, sondern auch fachliche Qualifikationen über berufliche und damit gesellschaftliche Stellung entschied. Fachleute, wie Ökonomen und Techniker, rückten in politische Führungsstellungen auf. Verfassungsrechtlich festgeschrieben wurden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen 1968 in einer neuen, der zweiten Verfassung der DDR. Auf organisatorischem Gebiet trug sie dem einschneidenden staatsrechtlichen Wandel seit 1949 Rechnung, fixierte die politische Dominanz der SED, die Allgemeingültigkeit des Marxismus-Leninismus als herrschender Ideologie und die staatliche Führungsrolle des Staatsrates. Mit Hinweis auf die unbestreitbaren wirtschaftlichen Erfolge propagierte Ulbricht Ende der 60er Jahre das "Modell DDR" als Vorbild aller entwickelten realsozialistischen Industriegesellschaften und geriet darüber in ideologische Konflikte mit der KPdSU. Als er sich dann auch noch den deutschlandpolitischen Entspannungsbemühungen zwischen der neuen sozialliberalen Bundesregierung und der Sowjetunion widersetzte, war der Zeitpunkt seiner Ablösung gekommen. Am 3.5.1971 wurde Ulbricht zum Rücktritt von seinem Amt als Erster Sekretär des ZK der SED gedrängt.

4. Honeckers Kurskorrekturen (1971-1980)

Die mit dem Abtritt Ulbrichts verbundenen einschneidenden Veränderungen auf ideologischem und politischem Gebiet traten im Gefolge des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971) offen zutage. In personalpolitischer Hinsicht allerdings herrschte das Prinzip der Kontinuität. E. Honecker, der das Amt des Ersten Sekretärs von Ulbricht übernahm, war schon in dem vorangegangenen Jahrzehnt dessen "Kronprinz" gewesen. Es kam zu keinen dramatischen Umbesetzungen in den Führungsgremien, der Einfluss der Technokraten wurde jedoch zurückgedrängt. Der Primat der Politik gegenüber der Technik und der Ideologie gegenüber der Wissenschaft wurde eindeutig wiederhergestellt. Die Partei- und Staatsführung beschwor die "ewige Freundschaft" mit der KPdSU und der UdSSR. Diese Kurskorrekturen gegenüber der Spätphase Ulbrichts, zu denen auch die Aufgabe jeden Bezugs auf eine gesamt-"deutsche Nation" gehörte, wurden im Oktober 1974 in einer Änderung der Verfassung und im Mai 1976 in einem neuen Parteiprogramm festgeschrieben.

In der Zwischenzeit erreichte die DDR unter Führung Honeckers jenes existentielle Ziel erreicht, um das der ostdeutsche Staat unter Ulbricht über Jahrzehnte fast ohne Erfolg gekämpft hatte: die weltweite völkerrechtliche Anerkennung. Nachdem die beiden deutschen Staaten im Dezember 1972 durch den Grundlagenvertrag zu einem ersten, wenn auch fragilen "modus vivendi" gefunden hatten, wurden sie beide im September 1973 in die Vereinten Nationen aufgenommen (Deutschland und die UNO). Bis Ende 1974 nahmen fast alle Staaten der Welt diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Der zwischendeutsche Ausgleich und die internationale Anerkennung werteten die DDR auf, brachten aber auch Pflichten und Probleme mit sich. Auf internationalem Gebiet begab sich die DDR in das komplizierte Konkurrenz- und Konfliktverhältnis aller Staaten und musste internationalen Abmachungen, wie denen der Konferenz von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (August 1975), zu genügen suchen. In zwischendeutscher Hinsicht war sie mit den Begleiterscheinungen der wachsenden Zahl von westdeutschen Besuchern und dem Anspruch ihrer Bevölkerung, aus der staatlichen Anerkennung individuellen Nutzen zu ziehen, konfrontiert. Die Führung der DDR suchte diese Konsequenzen durch eine ideologische Abgrenzung gegenüber dem Westen und seinen Ideen sowie entsprechende Unterdrückungsmaßnahmen im eigenen Lande zu kompensieren. Sie war bemüht, gerade im Kontrast zum östlichen Nachbarn Polen, sich als Hort der Kontinuität und Stabilität darzustellen.

Diesem Ziel diente vor allem der Versuch, die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" zu realisieren, wie es der IX. Parteitag der SED 1976 postulierte. Die Folgen der internationalen Energie- und Rohstoffkrise waren in der DDR, aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Ressourcenausstattung besonders spürbar. Diesen verschlechterten Rahmenbedingungen zum Trotz musste die DDR in den 70er Jahren versuchen, genügend Produktivität sowohl für die technische Innovation als auch für die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ihrer Bürger bereitzustellen. In der Konsum- und Sozialpolitik hat die SED seit dem Bau der Mauer (1961) und verstärkt seit Beginn der "Ära Honecker" das zentrale Instrument zur Stabilisierung und Legitimierung ihrer Herrschaft erkannt, doch die - auch durch den innerdeutschen Vergleich - wachsenden Ansprüche der DDR-Bürger schienen den Möglichkeiten ihrer Befriedigung davonzulaufen. Der Erfolg bzw. die Vermeidung des Mißerfolges auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet hatte immense Bedeutung für die Stabilität eines Regimes, das weitgehend der direkten Zustimmung seiner Bürger entbehren mußte.

5. Krisen und Untergang der SED-Herrschaft (1981-1989)

Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR am 7.Oktober 1989. Die landesweiten Proteste wurden von der Parteiführung ignoriert. Nur einen Monat später fiel die Berliner Mauer. (© Bundesarchiv, Bild 183-1989-1007-402, Foto: Klaus Franke)

Seit Beginn der 80er Jahre setzte die politische und wirtschaftliche Führung der DDR alles daran, nicht nur an der Spitze des technischen Fortschritts im Ostblock zu bleiben, sondern auch auf dem Weltmarkt jene Devisen zu verdienen, die für den Import sowohl von modernen Investitionsgütern für die Industrie als auch von Konsumwaren für die eigene Bevölkerung notwendig waren. Diese Ambitionen überforderten unter der Bedingung einer weltweiten Wirtschaftsrezession und angesichts der beschränkten Ressourcen das starre ökonomische Planungssystem der DDR. Die Löcher mussten durch westdeutsche Milliardenkredite gestopft werden. Damit honorierte die BRD die wachsende internationale Eigenständigkeit der DDR-Führung, die Anfang der 80er Jahre die Verschärfung des Kalten Krieges durch die sowjetische Führung im Rahmen der Nachrüstungskrise nicht mitmachte. Außenpolitisch konnte sich E. Honecker auf dem Zenit seines Ansehens fühlen, wurde er doch in zahlreiche westliche Länder eingeladen und konnte Staatsmänner aus aller Welt in der DDR begrüßen. Höhepunkt dieses internationalen Reputationsgewinns war der oftmals verschobene Besuch des Partei- und Staatschefs der DDR in der BRD im September 1987.

Hinter der Fassade internationaler Anerkennung bröckelte allerdings die innere Stabilität des Regimes. 1985 hatte M. Gorbatschow die sowjetische Führung übernommen und setzte mit der Propagierung seines Reformkurses von Glasnost und Perestroika die kommunistische Führung der DDR immer mehr unter Druck. Die SED behauptete, man brauche im Gegensatz zur Sowjetunion keine politischen und wirtschaftlichen Reformen, weil man diese in der DDR bereits vollzogen habe. Die ostdeutschen Kommunisten setzten sich, wie in den letzten Jahren der Herrschaft Ulbrichts, wieder ideologisch von dem "Vaterland aller Werktätigen" ab und propagierten einen eigenständigen "Sozialismus in den Farben der DDR". Die ostdeutsche Bevölkerung hatte jedoch ein wachsendes Gefühl der Stagnation in ihrem Lande. Ökonomisch lebte das System immer mehr von der Substanz, sozialpolitisch wurden, zumal im Vergleich mit Westdeutschland, nur die notwendigsten Bedürfnisse erfüllt, auf ökologischer Ebene mehrten sich die Zeichen des industriellen Raubbaus, in der Kulturpolitik herrschten Gängelung und Repression. Während in der Bevölkerung die Unzufriedenheit wuchs, wurde sie noch zusätzlich von der Führung durch Ablehnung des sowjetischen Reformkurses, pauschale Verteidigung der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung, rüdes Beharren auf dem Fortbestehen der Mauer für weitere 100 Jahre und offene Fälschungen, z.B. bei den Kommunalwahlen im Mai 1989, provoziert.

Obwohl sich seit 1986 die Anzeichen für Dissens und Widerstand in der DDR mehrten, wurden die Herrschaft der SED und die Existenz ihres Staates erst durch die gesamteuropäischen Veränderungen des Jahres 1989 in Frage gestellt. Mit dem Schwinden und schließlichen Ende des Ost-West-Konfliktes verlor die DDR nicht nur ihre Schutzmacht Sowjetunion, sondern büßte auch die Blocksolidarität der osteuropäischen Staaten ein. Im Sommer 1989 füllten in Budapest, Prag und Warschau ostdeutsche Flüchtlinge zu Tausenden die bundesdeutschen Botschaften und wurden nicht zurückgeschickt. Ungarn öffnete am 11.9.1989 seine Grenzen und erlaubte den ostdeutschen Ausreisewilligen die Weiterfahrt durch Österreich in die BRD. Diese Fluchtwelle führte in der DDR selbst zu offenen Protestdemonstrationen, in denen sich Hunderttausende vor allem in den Leipziger "Montagsdemonstrationen" für ein Verbleiben in einer wirklich freiheitlichen und demokratischen DDR einsetzten.

In dieser Situation allgemeiner Unzufriedenheit und wachsenden Widerstandes beharrte die Parteiführung bei der Feier des 40. Jahrestages ihres Staates am 7.10.1989 darauf, dass mit ihrem Regime alles in Ordnung sei. Das brachte das Fass zum Überlaufen, nicht nur bei dem sowjetischen Ehrengast Gorbatschow, sondern auch unter den DDR-Bürgern. Der Staatssicherheitsapparat erkannte, dass er die Protestbewegung nur mit dem Risiko eines großen Blutbades niederhalten konnte, und verzichtete auf die Anwendung seines Schwertes. Schon zehn Tage nach dem Jubiläum traten Honecker als Partei- und Staatschef, G. Mittag als Wirtschaftschef und J. Hermann als Pressechef der SED ab. Innerhalb weniger Wochen zerfiel die Parteidiktatur der SED in der DDR, die nicht von außen überwältigt wurde, sondern nach innen implodierte.

Die Diktatur der SED hatte in den 40 Jahren der DDR viele Krisen durchgemacht und überstanden. Doch im Jahr 1989 kamen wirtschaftliche, bündnispolitische, außenpolitische, ideologische und legitimatorische Krise zusammen. Damit war eine immobile und vergreiste Führung völlig überfordert, der zum Schluss jede Lern- und Wandlungsfähigkeit abging.

6. Demokratische Wende und staatliches Ende der DDR (18.10.1989-3.10.1990)

Nach dem Abtritt Honeckers und seiner engsten Gefolgsleute am 18.10.1989 versuchte die SED, durch eine neue Partei- und Staatsführung das Heft in der Hand zu halten, scheiterte aber an der Halbherzigkeit ihrer Reformbemühungen. Der neue Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzende E. Krenz war schon zuvor der auserwählte Nachfolger Honeckers gewesen. Er konnte sich nur 50 Tage im Amt halten, weil die von ihm proklamierte Wende der DDR-Politik unglaubwürdig blieb. Am 8.11.1989 trat W. Stoph als der langjährige Vorsitzende des Ministerrates der DDR zurück, sein Nachfolger wurde der Dresdner SED-Parteichef H. Modrow, zuvor ein moderater Hoffnungsträger der Einheitspartei. Die Regierung Modrow bemühte sich in den folgenden Monaten, durch inhaltliche Reformmaßnahmen und personelle Öffnung gegenüber den oppositionellen Kräften die Initiative wiederzuerlangen, scheiterte aber letzten Endes an der mangelnden demokratischen Legitimität des ganzen politischen Systems. Auch die überraschende Öffnung der Grenzen der DDR mit dem dramatischen "Fall der Mauer" in Berlin in der Nacht des 9.11.1989 beschleunigte eher noch den endgültigen Zerfall der SED-Herrschaft und das Ende der DDR als deutschem Teilstaat, da nun die Möglichkeit der legalen und ungehinderten Übersiedlung von Ost- nach Westdeutschland, die Hunderttausende wahrnahmen, den politischen Druck auf radikalere Veränderungen verstärkte.

Die politische Initiative in der DDR ging in den letzten Wochen des Jahres 1989 immer mehr von der SED-geführten Regierung auf die andauernden Massendemonstrationen, insbesondere die Leipziger Montagsdemonstrationen, und die dahinterstehenden Bürgerrechts- und Oppositionsbewegungen über. Diese hatten sich seit Beginn der 80er Jahre zunächst unter dem Dach der Evangelischen Kirche gebildet und waren ab 1987 in offene Auseinandersetzung mit der SED und ihrem Staatssicherheitssystem getreten. An der Spitze dieser Bewegung standen das Neue Forum, der Demokratische Aufbruch, aber auch die Anfang September 1989 noch in der Illegalität gegründete Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP). Am 6.12.1989 wurde Krenz durch die anhaltende Aufdeckung der Verstrickung der SED-Führung in Machtmissbrauch, Korruption und Unterdrückung zum Rücktritt von seinen Partei- und Staatsämtern gezwungen. Am Tag darauf trat in Berlin erstmals der "Runde Tisch" zusammen, dem neben den etablierten und sich um Reform bemühenden Parteien, unter Moderation von Vertretern beider Kirchen, die verschiedensten Oppositionsgruppen angehörten. In diesen Monaten des Systemwandels wurden die zentralen und lokalen "Runden Tische" zu neuen Repräsentations- und Legitimationsformen, die das durch den Zerfall der Herrschaft der SED und ihrer Blockparteien entstehende Machtvakuum zu füllen suchten. Der zentrale Runde Tisch der DDR leitete die Auflösung des berüchtigten Staatssicherheitsdienstes ein und konzipierte Anfang 1990 eine Verfassung für eine nun wirklich demokratische, unabhängige, sozialstaatlich wie ökologisch orientierte DDR. Doch zu diesem Zeitpunkt war die politische Revolution in der DDR bereits über solche Reformpositionen hinweggegangen. So blieb dem Runden Tisch nur noch die Aufgabe, die ersten freien Wahlen in der DDR zu organisieren, die vom Mai 1990 auf den 18.3.1990 vorgezogen wurden.

Seit Dezember 1989 mehrten sich in der ostdeutschen Bevölkerung die Stimmen, die nicht mehr, wie die Bürgerrechtsbewegungen sowie die intellektuelle und künstlerische Elite, die demokratische Revolution der DDR, sondern die Vereinigung des zweiten deutschen Staates mit der BRD forderten. Auf den großen Demonstrationen waren nicht mehr "Wir sind das Volk", sondern "Wir sind ein Volk" und "Deutschland einig Vaterland" die Parolen, und die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold ohne das Emblem der DDR bestimmten das öffentliche Erscheinungsbild (Staatssymbole). In der ersten freien Volkskammerwahl am 18.3.1990 errang die "Allianz für Deutschland", ein kurz zuvor auf energischen Druck von Bundeskanzler H. Kohl gebildetes Wahlbündnis aus CDU, Demokratischer Aufbruch und Deutsche Soziale Union, 47% der Stimmen, während die lange Zeit auch in Meinungsumfragen favorisierte Sozialdemokratische Partei, die inzwischen den Traditionsnamen SPD wieder aufgenommen hatte, sich mit enttäuschenden 21,9% begnügen musste. Die SED, die sich inzwischen zur Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannt hatte, wurde mit 16,4% noch drittstärkste Partei. Das von den Bürgerrechtsbewegungen als den Trägern der demokratischen Revolution vom Herbst 1989 gebildete Bündnis 90 war mit 2,9% der Stimmen weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war ein nationales Plebiszit der Mehrheit der Ostdeutschen für Bundeskanzler Kohl und die von ihm verkörperte Wiedervereinigungspolitik, von der man sich eine schnelle und umfassende Besserung der Lebensverhältnisse erwartete.

Nach dieser ersten freien Volkskammerwahl in 40 Jahren DDR-Geschichte bildete sich unter L. de Maizière (CDU) eine neue DDR-Regierung der großen Koalition, die aber nur noch das staatliche Ende der DDR "abzuwickeln" hatte. Sie vereinbarte Ende April mit der Bundesregierung die Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 und Ende August den "Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands". Aufgrund dieses Einigungsvertrages traten die fünf Länder der DDR, die zuvor wieder an die Stelle der Bezirke getreten waren, und Ostberlin am 3.10.1990 als dem neuen "Tag der Deutschen Einheit" der BRD und dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei.

Damit hörte die DDR nach fast 41 Jahren auf als Staat zu existieren; ihre Geschichte wird jedoch noch lange Zeit in D nachwirken. Nicht nur die verbrecherische Vergangenheit des SED-Regimes sowie die ökonomischen und ökologischen Erblasten seiner Herrschaft werden die Deutschen noch viele Jahre beschäftigen. Auch die Erfahrungen und Prägungen durch mehr als 40 Jahre realsozialistischer Diktatur und, wenn man das Dritte Reich hinzuzählt, mehr als 56 Jahre diktatorischer Systeme werden noch lange Zeit zu Spannungen und Verwerfungen insbesondere in der politischen Kultur des vereinigten D führen. Die 40jährige Geschichte der DDR ist seit der Vereinigung nicht nur Thema umfangreicher zeitgeschichtswissenschaftlicher Forschungen, sondern auch Gegenstand kontroverser politischer Auseinandersetzungen zwischen den Parteien geworden. So hat der Deutsche Bundestag vom Frühjahr 1992 bis Sommer 1994 der "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" eine eigene Enquete-Kommission gewidmet, die in der darauffolgenden Legislaturperiode ihre Arbeit unter dem Titel "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" fortgesetzt hat. An deren Stelle ist nach der Bundestagswahl vom 27.9.98 eine "Bundesstiftung zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur" getreten, die Opfer des SED-Regimes beraten und Initiativen zur wissenschaftlichen Erforschung der DDR-Geschichte fördern soll.

Auch wenn die historische Auseinandersetzung mit der DDR nicht frei von parteipolitischen Rechthabereien und Missverständnissen zwischen Ost- und Westdeutschen ist, so verfolgt sie doch viel aktiver und offener als noch in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik die Bemühungen, die nationalsozialistische Vergangenheit der Deutschen aufzuarbeiten. Wer die Gegenwart und Zukunftsaufgaben des vereinigten Deutschland verstehen will, der muss auch die Geschichte der DDR berücksichtigen.

Quellen / Literatur

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Kocka, Jürgen/Sabrow, Martin (Hrsg.) 1994: Die DDR als Geschichte. Fragen - Hypothesen - Perspektiven. Berlin.

Mählert, Ulrich 1998: Kleine Geschichte der DDR. München.

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Staritz, Dietrich 1996: Geschichte der DDR. 1949-1989. Frankfurt/M.

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Weber, Jürgen (Hrsg.) 1995: Der SED-Staat: Neues über eine vergangene Diktatur. München.

Wolle, Stefan 1999: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989. Berlin.

aus: DDR - Geschichte, Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik

Fussnoten

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