Der Pharmakonzern Novartis bereitet die Öffentlichkeit auf einen Preisschock vor

Die erste millionenteure Gentherapie des Basler Medikamentenherstellers Novartis befindet sich in den USA kurz vor dem Zulassungsentscheid. Das Management der Firma versucht, durch intensive Lobbyarbeit um Verständnis zu werben. Dennoch droht ein Imageschaden.

Dominik Feldges
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Die Gentherapie Zolgensma von Novartis soll Betroffenen der seltenen genetischen Erkrankung spinale Muskelatrophie deutliche Linderung verschaffen können. (Bild: PD)

Die Gentherapie Zolgensma von Novartis soll Betroffenen der seltenen genetischen Erkrankung spinale Muskelatrophie deutliche Linderung verschaffen können. (Bild: PD)

Die Nervosität ist in diesen Tagen beim Basler Pharmakonzern Novartis mit Händen zu greifen. Bis Ende Mai erwartet man von der US-Gesundheitsbehörde FDA den Zulassungsentscheid für ein Medikament, dessen Preis sämtliche bis anhin üblichen Dimensionen zu sprengen verspricht. Es geht um die Gentherapie Zolgensma, die mittels einer einmaligen Injektion den Betroffenen der seltenen genetischen Erkrankung spinale Muskelatrophie (SMA) deutliche Linderung verschaffen soll. Laut Schätzungen von Analytikern soll das Präparat pro Patient 1,6 bis 5 Mio. $ kosten, was es zum ersten Medikament in den USA mit einem Preis in mehrfacher Millionenhöhe machen würde.

Bei Novartis ist man sich bewusst, dass die Kosten dieser Therapie in der Öffentlichkeit unweigerlich einen Proteststurm auslösen dürften. Firmenintern kursiert denn auch die Bezeichnung «Sticker shock», die auf den erwarteten Schock im Zusammenhang mit dem Preisetikett von Zolgensma anspielt. Vor diesem Hintergrund erstaunt es auch nicht, dass das Management des Pharmakonzerns schon seit Monaten intensiv im Einsatz steht, um die Öffentlichkeit mit dem Thema vertraut zu machen und um Verständnis für die – zumindest auf den ersten Blick – gigantisch anmutenden Aufwendungen für dieses Medikament zu werben.

Rabatt bei Misserfolg

Bereits im vergangenen Januar referierten Firmenvertreter am Vortag der Bilanzmedienkonferenz in Basel vor Journalisten ausführlich über die Vorzüge von Zolgensma in der Behandlung von SMA. Zugleich signalisierte die Konzernführung Kompromissbereitschaft. Man sei bereit, Rabatte für den Fall zu gewähren, dass die Therapie ungenügend anspreche. Angesichts der hohen Kosten werde man Krankenversicherungen zudem die Möglichkeit einräumen, in Raten für die Behandlung zu zahlen.

Gegenüber der NZZ hat David Lennon, der Chef der mit der bisherigen Entwicklung von Zolgensma betrauten Novartis-Tochtergesellschaft Avexis, sich jüngst nochmals zu den Grundsätzen der Preisgestaltung geäussert. Laut seinen Angaben wird Novartis mit einer spezialisierten Apotheke zusammenarbeiten, die gegen eine geringfügige Gebühr interessierten Parteien die Behandlung vorfinanzieren wird. In diesem Rahmen können die Kosten über mehrere Jahre abgestottert werden. Zudem wird es einen Preisnachlass geben, sofern bei den Patienten innerhalb von wenigen Jahren schwerwiegende Ereignisse eintreten, welche die Therapie zu einem Misserfolg machen. Was genau diese Faktoren sind, ist zurzeit noch Gegenstand der Verhandlungen, die Novartis mit einer Reihe von Krankenversicherern in den USA führt.

Einsparungen trotz allem?

Novartis will den Listenpreis für die Therapie erst am Tag der Ankündigung des – erhofften – positiven Zulassungsentscheids bekanntgeben. Lennon lässt jedoch durchblicken, dass dem Pharmakonzern sehr daran gelegen ist, dem Gesundheitswesen in den USA und anderswo zu Einsparungen bei der Behandlung der Patienten auf längere Sicht zu verhelfen. Wegen der Schwere der Behinderungen, welche die Krankheit SMA bis anhin mit sich gebracht hat, fallen hohe Pflegekosten an. Die entsprechenden Gesamtaufwendungen werden in den USA auf durchschnittlich über 6 Mio. $ pro Patient beziffert.

Lennon ist zuversichtlich, das sich Zolgensma für die Behandlung fast aller der rund 400 Kinder eignet, die jährlich in den USA mit dem – für die schwerste Form von SMA (Typ 1) verantwortlichen – Erbdefekt geboren werden. Mit grosser Freude erfüllt den Manager, dass die ersten der vor fast vier Jahren erstmals mit dem Präparat therapierten Kinder nun im Begriff sind, in den Kindergarten einzutreten und damit ein weitgehend normales Leben zu führen.

Baldige Zulassung auch in Europa erwartet

Trotz solch erfreulichen Entwicklungen wird Novartis aber nach wie vor viel Überzeugungsarbeit im Zusammenhang mit dieser Gentherapie leisten müssen. Einen weiteren Höhepunkt dürfte die Kostendiskussion Mitte dieses Jahres erreichen, wenn mit dem Zulassungsentscheid in der EU gerechnet wird. Die Konzernführung steht auch insofern unter grossem Druck, als die letztjährige Übernahme der Kleinfirma Avexis Novartis fast 9 Mrd. $ gekostet hat. Diesen Betrag gilt es möglichst rasch einzuspielen.